meta-IFiF

Frauen sind in MINT-Berufen unverzichtbar

Die Unternehmerin Herna Muñoz-Galeano erläutert im Interview, warum Diversität Innovation stärkt, wie Frauen für MINT gewonnen werden können und welche Strukturen Chancengleichheit fördern.

Eine Grafik zur Kampagne #FrauenInMINT mit einem Zitat von der Geschäftsführerin der PGXperts GmbH Herna Muñoz-Galeano: Es braucht echte Vorbilder und eine klare Haltung in Führungsetagen wie in der Gesellschaft, um MINT langfristig vielfältiger zu gestalten – denn Diversität ist kein Selbstzweck, sondern ein entscheidender Treiber für Innovation und Wirtschaft.

Herna Muñoz-Galeano ist eine erfahrene Unternehmerin und Expertin in der Informations-Technologie-Branche. Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung als Ingenieurin und Informatikerin hat sie Software-Großprojekte in mehreren Ländern erfolgreich umgesetzt. Das Interesse der Ingenieurin und Informatikerin gilt richtungsweisenden IT-Innovationen und deren praktischer Umsetzung, vorwiegend in den Bereichen Telekommunikation, Mobilität, Medizintechnik und Energie. Als Gründerin und Geschäftsführerin der HMG Systems Engineering und der PGXperts GmbH hat sie eine weltweite innovative Lösung zur Realisierung der Personalisierten Medikation entwickelt.

Herna Muñoz-Galeano engagiert sich besonders für mehr Sichtbarkeit und Chancengleichheit von Frauen in MINT-Berufen. Im Interview spricht meta-IFiF mit ihr darüber, warum Diversität in Unternehmen wichtig ist, und was getan werden muss, um MINT-Berufe für Frauen attraktiver zu machen. 

Frau Muñoz-Galeano, Sie setzen auf Diversität in Ihrem Unternehmen. Welche Potenziale sehen Sie in diversen Teams?

Diverse Teams bringen unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Denkweisen zusammen. Genau darin liegt für mich das Potenzial. In unseren Projekten habe ich immer wieder erlebt, dass Vielfalt ein entscheidender Motor für Innovation ist. Wenn Menschen mit unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und kulturellen Hintergründen zusammenarbeiten, entstehen nicht nur neue Ideen und kreative Lösungsansätze, sondern auch ein breiteres und tieferes Verständnis für komplexe Zusammenhänge.

Dass sich Diversität auch ökonomisch lohnt, belegt die McKinsey-Studie "Diversity Matters Even More" aus dem Jahr 2023: Unternehmen mit hoher Diversität in der Führung haben weltweit eine um 39 % höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein – in Europa liegt diese sogar bei 62 %.

Gelebte Vielfalt steigert auch die Arbeitgeberattraktivität. Unternehmen, die Diversität aktiv fördern, sprechen ein breiteres Bewerberfeld an und stärken ihre Arbeitgebermarke. Das gilt insbesondere für die jüngeren Generationen, die Vielfalt und Inklusion nicht nur schätzen, sondern als Selbstverständlichkeit erwarten. Nicht zuletzt sorgt Diversität für eine stärkere Repräsentation unserer Gesellschaft: Vielfältige Teams spiegeln die Lebensrealitäten der Kundinnen und Kunden besser wider - und schaffen so die Grundlage für mehr Vertrauen.

Frauen sind in den MINT-Branchen nach wie vor unterrepräsentiert. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Hebel, damit sich mehr Frauen für MINT-Berufe entscheiden und langfristig in diesen Berufen verbleiben?

Als Geschäftsführerin der PGXperts GmbH sehe ich drei zentrale Hebel, um mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen - und sie langfristig im Berufsleben zu halten.

Erstens braucht es eine frühzeitige fachliche und persönliche Förderung: Junge Frauen sollten schon früh Berührungspunkte mit Technik, Naturwissenschaften und insbesondere mit Informatik erhalten – und ebenso weibliche Vorbilder kennenlernen, die ihnen zeigen: Du kannst das auch. Mentoring-Programme, praxisnahe Schulprojekte und die mediale Präsenz erfolgreicher Frauen in MINT-Berufen sind hier entscheidend.

Zweitens ist eine Unternehmenskultur gefragt, die Vielfalt wirklich lebt und Rahmenbedingungen schafft, die den Verbleib im Beruf fördern. Flexible Arbeitsmodelle, familienfreundliche Strukturen und ein wertschätzendes Miteinander sind entscheidend dafür, dass Frauen nicht nur den Einstieg in MINT-Berufe finden, sondern auch bleiben. Weil sie sehen, dass ihr Beitrag zählt – und geschätzt wird.

Zu guter Letzt braucht es Mut zur Sichtbarkeit und starke Netzwerke: Frauen sollten ermutigt werden, ihre Expertise selbstbewusst zu zeigen und aktiv den Austausch mit anderen zu suchen – ob auf Fachveranstaltungen, in Netzwerken oder über die sozialen Medien. So werden die Erfolge von Frauen in MINT-Berufen sichtbar, greifbar und inspirierend für die nächste Generation.

Kurz gesagt: Es braucht echte Vorbilder und eine klare Haltung in Führungsetagen wie in der Gesellschaft, um MINT langfristig vielfältiger zu gestalten – denn Diversität ist kein Selbstzweck, sondern ein entscheidender Treiber für Innovation und Wirtschaft.
Herna Muñoz-Galeano, Geschäftsführerin der PGXperts GmbH

Was müssen Unternehmen tun, um für Frauen attraktiver zu werden? Welche Maßnahmen ergreifen Sie in Ihrem Unternehmen, um Frauen gezielt zu unterstützen?

Um für Frauen attraktiver zu werden, müssen Unternehmen eine Unternehmenskultur schaffen, in der Chancengleichheit, Flexibilität und Sichtbarkeit selbstverständlich sind. Dazu gehört u. a. ein klares Bekenntnis zur Diversität, flexible Arbeitsmodelle sowie gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen – insbesondere in Führungspositionen.

Bei PGXperts setzen wir auf konkrete Maßnahmen, darunter:

  • Flexible Arbeitszeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Ein diverses Führungsteam mit weiblicher Repräsentanz, das unterschiedliche Perspektiven zusammenbringt und Frauen sichtbar mitgestalten lässt 
  • Gezielte fachliche und persönliche Weiterentwicklung durch Schulungen, Mentoring und individuelle Förderung

Unser Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen nicht nur willkommen sind, sondern ihr volles Potenzial entfalten können.

Auch auf der Führungsebene sind Frauen immer noch deutlich seltener zu finden als Männer. Was muss Ihrer Meinung nach unternommen werden, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen?

Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen nachhaltig zu erhöhen, braucht es konkrete Maßnahmen, die über reine Ermutigung hinausgehen. Ein zentraler Ansatz ist die Förderung flexibler Arbeitsmodelle, die die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ermöglichen. Das bedeutet nicht nur flexible Arbeitszeiten, sondern Modelle, die sich über die Jahre hinweg an die Lebenssituation und persönliche Entwicklung anpassen lassen.

Es braucht auch den Mut, mit Vorurteilen zu brechen. Führung kann – entgegen vieler Vorurteile – sehr wohl auch in Teilzeit erfolgreich ausgeübt werden. Ebenso wichtig ist es, weibliche Vorbilder sichtbar zu machen und sie aktiv als Mentorinnen einzubinden. Denn wenn Frauen sehen, dass andere Frauen erfolgreich führen, wird diese Option greifbarer und attraktiver. Frauen sollten erleben, dass die Rahmenbedingungen ihres Unternehmens ihnen ermöglichen, ihr Potenzial voll zu entfalten. So können sie sich bewusst für eine Führungsrolle entscheiden – und wollen diese auch übernehmen. Nur so kann echte Chancengleichheit auf Führungsebene erreicht werden.

Wie können Männer für die Themen "Diversity" und "Frauen in MINT" sensibilisiert werden und warum ist ihre Unterstützung wichtig?

Männer spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung von Diversity und der Stärkung von Frauen in MINT-Berufen.

Warum ihre Unterstützung wichtig ist:

  • Männer besetzen nach wie vor die meisten Führungspositionen – ihre aktive Mitgestaltung ist entscheidend, um Veränderungen in Unternehmenskultur und Entscheidungsprozessen zu verankern.
  • Als Verbündete können sie Diversität nicht nur fördern, sondern auch konkret vorleben – sei es durch inklusives Führungsverhalten, faire Rekrutierung oder die gezielte Unterstützung weiblicher Kolleginnen.
  • Für jede Führungskraft ist der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens ein zentrales Anliegen. Betrachtet man die von McKinsey zitierten Daten, wird deutlich: Diversität ist auch für männliche Führungskräfte ein wichtiges Thema. Tatsächlich engagieren sich immer mehr Männer dafür.

Sie sind selbst Gründerin und führen heute ein Unternehmen mit 37 Mitarbeiter*innen.
Aus Ihrer Erfahrung: Welche strukturellen Veränderungen sind notwendig, damit mehr Frauen gründen?

Aus meiner Erfahrung als Gründerin und Geschäftsführerin sehe ich vor allem zwei strukturelle Veränderungen als entscheidend, damit mehr Frauen den Schritt in die Gründung wagen.
Erstens braucht es deutlich mehr Sichtbarkeit weiblicher Gründerinnen. Aktuelle Studien zeigen, dass erfolgreiche Unternehmerinnen in Medien und Netzwerken deutlich unterrepräsentiert sind. Der Female Founders Monitor belegt, dass lediglich 16 % der deutschen Start-ups von Frauen gegründet werden. Erfolgreiche Unternehmerinnen sollten in Medien und Netzwerken präsenter sein, denn Vorbilder schaffen Identifikation und ermutigen andere Frauen, selbst zu gründen.
Zweitens muss der Zugang zu Kapital erleichtert werden. Eine Studie von EY zeigt, dass 2024 nur 10,6 % des Risikokapitals an Start-ups mit rein weiblichen Gründerteams gingen. Bei Investitionen über 50 Millionen Euro lag dieser Anteil sogar nur bei 7,1 %. Im Vergleich dazu erhielten männlich geführte Start-ups 2024 6,2 Milliarden Euro, was knapp 88 % des gesamten Risikokapitals ausmacht. Diese Zahlen verdeutlichen die strukturellen Hürden, die Gründerinnen überwinden müssen.