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#FrauenInMINT – Was verraten uns die Zahlen?

Interview mit Romy Stühmeier, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. zum kompetenzz-Datentool

Eine Grafik zur Kampagne #FrauenInMINT mit einem Zitat von Romy Stühmeyer zum kompetenzz-Datentool: Daten zur Studienfachwahl sowie zur beruflichen und schulischen Ausbildung sind unerlässlich, um Projekte gezielt zu planen, die Qualität der Ausbildung zu verbessern oder Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln.“

Wenn wir mehr weibliche Fach- und Führungskräfte im MINT-Bereich wollen, braucht es vor allem eines: mehr Frauen in MINT-Studiengängen und -Ausbildungen. Doch wie hat sich der Frauenanteil in den vergangenen Jahren entwickelt? In welchen Fächergruppen sind positive Entwicklungen zu verzeichnen und wo besteht weiterhin Handlungsbedarf? Antworten darauf liefert das Datentool des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (kompetenzz).

Das kompetenzz-Datentool ermöglicht fundierte Analysen und individuelle Datenreporte sowohl zu Studienanfänger*innen, Studierenden und Absolvent*innen als auch zu schulischen und beruflichen Ausbildungen in MINT. Zusätzlich erlaubt es Vergleiche mit den Bereichen Gesundheit und Soziales. Damit liefert es eine wichtige Grundlage, um gezielt gegen den Fachkräftemangel vorzugehen.

meta-IFiF hat mit Romy Stühmeier, Geschäftsführerin von kompetenzz, über das Tool gesprochen – über seine Funktionen, überraschende Befunde und darüber, wie es helfen kann, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gezielter zu planen:

Das Datentool von kompetenzz ist bereits seit vielen Jahren verfügbar. Für wen ist es besonders interessant und was lässt sich konkret damit herausfinden?

Wenn es darum geht, Entwicklungen sichtbar zu machen, Fortschritte zu bewerten und Maßnahmen gezielt zu steuern, sind fundierte Daten wichtig. Daten zur Studienfachwahl sowie zur beruflichen und schulischen Ausbildung sind daher unerlässlich, um Projekte gezielt zu planen, die Qualität der Ausbildung zu verbessern oder Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln. Das Datentool von kompetenzz liefert dafür eine solide Grundlage, für Entscheidungsträgerinnen in der Bildungspolitik ebenso wie für Arbeitgeberinnen oder Bildungseinrichtungen.

Wie funktioniert das Datentool?

Sowohl das Datentool Studium als auch das Datentool Ausbildung gliedern sich in drei Module mit umfangreichen Filter- und Sortierfunktionen: Zeitreihen, Ranglisten und eine Karte. Im Zeitreihen-Modul lässt sich nachvollziehen, wie sich die Zahl von Studierenden oder Auszubildenden über die Jahre entwickelt hat, unterteilt nach Studienrichtung bzw. Beruf und nach Geschlecht. Das Ranglisten-Modul zeigt, welche Studiengänge oder Berufe besonders stark oder schwach nachgefragt sind – auch mit Blick auf den Frauen- oder Männeranteil. Ergänzend ermöglicht das Modul Karte einen visuellen Vergleich der Frauenanteile in den einzelnen Bundesländern.

Gibt es Beispiele, bei denen das Tool bereits zur Weiterentwicklung von Programmen, Kampagnen oder Strategien beigetragen hat?

Wir haben das Datentool im Rahmen des Projekts "Komm, mach MINT" 2010 zunächst für den MINT-Bereich entwickelt, um auf Basis belastbarer Daten Entwicklungen sichtbar zu machen und gezielt Handlungsbedarfe zu identifizieren. Darauf aufbauend haben wir Projekte wie den Girls’Day, die Initiative Klischeefrei und verschiedene weitere MINT-Initiativen weiterentwickelt oder initiiert. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, junge Frauen für MINT-Fächer zu begeistern, bestehende Hürden abzubauen und eine klischeefreie Berufs- und Studienwahl zu fördern. Die Daten aus dem Datentool haben uns sehr geholfen, deutlich zu machen, wo gezielte Maßnahmen notwendig sind und entsprechende Akteur*innen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien von einer Kooperation zu überzeugen. Im Laufe der Zeit haben wir das Datentool dann um Zahlen zum Bereich Gesundheit und Soziales ausgeweitet, was uns die Möglichkeit bietet, Projekte, wie beispielsweise den Boy’s Day, passgenau weiterzuentwickeln.

Die Zahlen zeigen, dass gezielte Maßnahmen und Projekte wirken, zugleich aber noch viel Potenzial für mehr Chancengleichheit besteht.
Romy Stühmeier, Geschäftsführerin von kompetenzz

Wie hat sich denn die Zahl weiblicher Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern in den letzten zwanzig Jahren entwickelt?

In den MINT-Studiengängen, also in den Studiengängen, die in den zwei großen Fächergruppen Ingenieurwissenschaften und Mathematik/Naturwissenschaften angesiedelt sind, ist die Zahl weiblicher Studienanfängerinnen in den letzten zwanzig Jahren deutlich gestiegen – wenn auch langsam. So stieg die absolute Zahl der Studentinnen in den MINT-Fächern im 1. Hochschulsemester von 2003 bis 2023 um 20.000 – von rund 34.500 (2003) auf 54.500 (2023). Der Frauenanteil unter den Studienanfänger*innen erhöhte sich damit in diesem Zeitraum von 28,7 % auf 35,3 %. Demgegenüber stieg die Zahl der männlichen Studienanfänger von knapp 85.800 im Jahr 2003 auf 99.800 im Jahr 2023, also um 14.000. Damit liegt der Männeranteil 2023 bei 64,7 %.

Die Zahlen zeigen, dass gezielte Maßnahmen und Projekt wirken, zugleich aber noch viel Potenzial für mehr Chancengleichheit besteht.

Gibt es MINT-Fächer, in denen sich besonders positive Trends zeigen?

Ja, und das gleich in mehreren Bereichen. In der MINT-Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften studieren traditionell viele Frauen. Das ist insbesondere auf die in dieser Fächergruppe angesiedelten Studienbereiche Biologie, Pharmazie und Chemie sowie Mathematik zurückzuführen. Der Frauenanteil unter den Studienanfänger*innen im 1. Hochschulsemester in der gesamten Fächergruppe liegt inzwischen sogar über der Hälfte, konkret bei 54,7 % im Jahr 2023.

Auch in den Ingenieurwissenschaften ist der Trend deutlich positiv: Lag der Frauenanteil bei den Studienanfänger*innen 2003 noch bei 18,7 %, überschritt er 2018 erstmals die 25%-Marke und erreichte 2023 27,4 %.Besonders dynamisch ist die Entwicklung in der Informatik: Zwischen 2003 und 2023 stieg die Zahl der weiblichen Erstsemester um rund 214 %: von 3.058 auf 9.607. Der Frauenanteil lag 2023 bei über 25 %. 2003 waren es nur leicht über 15 %. Auch in den klassischen Männerdomänen Bauingenieurwesen und Maschinenbau/Verfahrenstechnik hat sich viel getan. 2023 lag der Frauenanteil bei den Studienanfänger*innen im Bauingenieurwesen bei knapp 30 % und im Maschinenbau/Verfahrenstechnik bei 25,2 % – so hoch wie nie zuvor.

Im neuen Daten & Fakten-Bereich "Frauen in MINT" im meta-IFiF-Infopool finden Sie ausführliche Zahlen und Grafiken zum Frauenanteil bei MINT-Professuren im Zeitverlauf und nach Lehr- und Forschungsbereich sowie eine Darstellung der Leaky Pipeline in MINT-Fächern und in ausgewählten MINT-Bereichen. Ebenfalls dort zu finden: Ein internationaler Vergleich zu den Frauenanteilen in MINT-Fächern.

Seit dem Wintersemester 2015/2016 ist die Informatik Teil der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften. Damit kam es zu einer starken Verschiebung der Zahlen. Sowohl mit den Zahlen aus dem Studiengang Informatik als auch um diese Zahlen bereinigt, beträgt der Frauenanteil im 1. Fachsemester 25 %.