Im Fokus des Treffens standen Ergebnisse aus den IFiF-Projekten – außerdem wurde am zweiten Tag in Workshops gemeinsam an dem Thema Transfer in Hochschulpolitik und andere Disziplinen gearbeitet.
Christina Rouvray, Projektleiterin vom Metavorhaben "Innovative Frauen im Fokus" (meta-IFiF) und Markus Weiland, wissenschaftlicher Referent beim DLR-Projektträger (DLR-PT) begrüßten die Teilnehmenden und berichteten kurz über die Förderrichtlinie: In den 3. Calls werden 38 Forschungs- und Umsetzungsprojekte (Einzel- und Verbundprojekte) gefördert. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt ist Fördermittelgeber, das Metavorhaben meta-IFiF die programmatische Klammer. Der DLR-PT wiederum ist für fachliche und administrative Fragen Ansprechpartner.
Impulsvortrag "Transfer in Hochschulpolitik und andere Disziplinen" von Prof. Dr. Birgitt Riegraf, Universität Paderborn
Die Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen in die außerwissenschaftliche Praxis und die Hochschulpolitik ist eine Herausforderung. Prof. Dr. Birgitt Riegraf hielt zu diesem Thema einen einführenden Vortrag. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in der Hochschulverwaltung – 8 Jahre war sie in der Hochschulleitung der Universität Paderborn aktiv, zuletzt als Präsidentin – brachte sie spannende "Insights" zum Thema Transfer mit. Neben Forschung und Lehre hat der Transfer von Forschungsergebnissen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Er ist zu einer Kernaufgabe in der Wissenschaft und damit auch zu einem strategischen Handlungsfeld von Hochschulen geworden.
Sie machte deutlich, dass die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die außerwissenschaftliche Praxis und Hochschulpolitik eine komplexe Angelegenheit ist, selbst wenn es sich um anwendungsbezogene Projekte handelt. Wissenschaft und außerwissenschaftliche Praxis sowie Hochschulpolitik folgen jeweils anderen Logiken. Dazwischen sind verschiedene Vermittlungsebenen und es bedarf einer Kommunikation "auf Augenhöhe".
Die folgenden fünf Dimensionen sind ihrer Meinung nach zentral, damit Transfer gelingen kann:
- Offenes Klima: Es braucht ein Klima, das offen ist für soziale Innovationen.
- Akteurskonstellation: Entscheidend sind die Akteurskonstellationen "vor Ort" und relevante Akteur*innen im Wissenschaftsfeld, die dem Thema gegenüber offen sind. Dazu zählen beispielsweise: Gleichstellungsbeauftragte, Studierende, Senatsmitglieder, aber auch externe Akteur*innen, wie die DFG, HRK, etc.
- Gute Kommunikation: Die Erkenntnisse müssen so vermittelt werden, dass ihre Komplexität nicht verloren geht, aber zugleich verständlich bleiben für Interessierte, die nicht im Wissenschaftsfeld sind.
- Strukturelle Verankerung von gleichstellungsfördernden Maßnahmen: Die Verankerung in der Organisation und der Wissenschaftspolitik ist wichtig. Diese kann am ehesten gelingen, wenn sie mit anderen strategischen Ausrichtungen der Organisation verbunden wird (etwa: Internationalisierungsstrategie oder Exzellenzbestrebungen).
- Umsetzungsstrategie: Es bedarf in jedem Projekt einer konkreten Umsetzungsstrategie, in der aufgezeigt wird, welche Ziele in welchem Zeitraumerreicht werden sollen. Das Ziel und die Schritte müssen klar kommuniziert werden und die Strategie muss mit den relevanten Akteur*innen abgesprochen werden. Dabei ist Vernetzung und Kooperation besonders wichtig.
(Zwischen-)Ergebnisse aus den IFiF-Projekten
Fünf Projekte aus der Förderrichtlinie "Innovative Frauen im Fokus" nutzten die Gelegenheit, den Vertreter*innen der anderen Projekte ihre (Zwischen-)Ergebnisse zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren.
UN/SEEN
Ziel des Projekts "UN/SEEN – Innovative Frauen im Grafik-Design 1865-1919 und heute" ist, eine möglichst große Sichtbarkeit für Grafik-Designerinnen zu erzeugen – sowohl historisch (1865-1919) als auch aktuell. Prof. Petra Eisele & Dr. Aliena Guggenberger stellten Ergebnisse und die Vorgehensweise im Projekt vor. Insgesamt fünf Umsetzungsformate und -kanäle nutzt das Projekt: Instagram, eine umfangreiche Website, Wikipedia-Workshops, ein Symposium sowie eine Publikation.
Instagram wird genutzt, weil es visuell funktioniert und sich deshalb besonders gut für Grafikdesign eignet. Hier werden nicht nur neue Rechercheergebnisse präsentiert, sondern auch Arbeitsprozesse dargestellt und Berichte – beispielsweise über das Symposium – aufbereitet. Darüber hinaus hat das Projekt bereits über 300 Biografien von Gestalterinnen aus dem deutschsprachigen Raum auf der mehrfach ausgezeichneten Projektwebsite sichtbar gemacht. Im Rahmen des Projekts wurden darüber hinaus zwei Wikipedia-Workshops zur Ergänzung weiblicher Biografien auf Wikipedia durchgeführt sowie ein dreitägiges internationales Symposium mit Vorträgen und Live-Panels. Zum Ende der Projektlaufzeit wird es eine Publikation in zwei Sprachversionen (dt./engl.) geben.
Ausführliche Einblicke in das visuelle Storytelling im Rahmen des Projekts auf Instagram finden Sie auch im aufgezeichneten IFiF-Impulse-Vortrag:
Moms@Science
Dr. Lisa Tölle stellte das Projekt "Moms@Science" vor. Forschungsergebnisse zeigen, dass insbesondere in der Promotions- und Postdoc-Phase Mütter größere Schwierigkeiten haben, die Anforderungen der Wissenschaft mit familiären Verpflichtungen zu vereinbaren. Mit der Folge, dass viele ihre Karriere einschränken oder wissenschaftliche Ambitionen aufgeben. Gleichzeitig finden Mütter in der Wissenschaft kreative Wege, um Familie und Karriere zu verbinden und Führungspositionen zu erreichen – ihre Erfolge bleiben jedoch meist unsichtbar. Ziel des Projekts ist es, diese Leistungen innovativer Wissenschaftlerinnen mit Kind(ern) sichtbar zu machen, hemmende Strukturen aufzudecken und daraus nachhaltige Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit abzuleiten. Mithilfe qualitativer Interviews untersucht das Projekt was den Erfolg und die Sichtbarkeit von Müttern in der Wissenschaft fördert bzw. hemmt.
Neben der Forschung entwickelt das Team ein Social-Media-Konzept, eine Podcast-Reihe und eine Wanderausstellung, um erfolgreiche Wissenschaftlerinnen als Role Models in den Fokus zu rücken. Ergänzend wird ein Maßnahmenkatalog für Hochschulen und Forschungseinrichtungen erstellt.
SESiWi
Das Projekt "SESiWi – Strukturelle Erhöhung der Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen" verfolgt das Ziel, die gleichgestellte Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen an Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie in klassischen und digitalen Medien nachhaltig zu stärken.
Sara Kappelhoff stellte das Projekt und die Vorgehensweise vor: Fünf Maßnahmen bilden die zentralen Bausteine des Projekts: (1) die Untersuchung der Gründe und Wirkungen mangelnder Sichtbarkeit, (2) die Messung der Darstellung von Wissenschaftlerinnen im Zeitverlauf mit der Entwicklung des Gender Equality Tech Tools (GETT), (3) die Vernetzung zwischen Medienschaffenden und Wissenschaft, (4) die strukturelle Verankerung von Sichtbarkeitsmaßnahmen in Organisationen und (5) die Vermittlung von strukturellen Sichtbarkeitsmaßnahmen an die (Fach)Öffentlichkeit. Ein wichtiger Meilenstein war die Entwicklung des kostenfreien öffentlich zugänglichen GETT-Tools, so Kappelhoff. Das Tool ermöglicht eine datenbasierte Analyse der Geschlechterdarstellung in verschiedenen Ressorts und macht Stereotype in der medialen Darstellung sichtbar.
Ausführliche Einblicke in die Projektergebnisse finden Sie im aufgezeichneten IFiF-Impulse-Vortrag:
Gender-Innovationen
Prof. Heike Kahlert, Jessica Pawlitschko und Xenia Wenzel stellten Ergebnisse aus dem Projekt Gender-Innovationen vor. Das Projekt Gender-Innovationen untersucht die Frage, welche Rolle die Genderforschung und Gender als Erkenntniskategorie in den Sozial- und Geisteswissenschaften spielen. Ein Teilprojekt untersucht Lehr- und Einführungsbücher bzgl. der Integration von genderbezogenen wissenschaftlichen Leistungen. Erste Ergebnisse dazu finden Sie in der Präsentation eines Vortrags auf der Fachtagung "Innovativ – Exzellent – Sichtbar: Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft" im März 2025:
Ein weiteres Teilprojekt untersucht die Weiterentwicklung der Fächer durch wissenschaftliche Fachgesellschaften (z. B. eigene Untergruppen für Frauen bzw. zum Thema Gender). Diese Organisationen, die es in vielen Fächern gibt, sind bisher kaum erforscht, weshalb das Projekt hier viel Grundlagenarbeit leistet. Es untersucht die Organisationen bzgl. ihrer Gründungsmotivation, ihrer Ziele und Herausforderungen und der Innovationen, die sie in die Arbeit der Dachorganisation einbringen.
Malerinnen_Videos
Im Projekt "100 Malerinnen – 100 Videos" werden 100 Kurzporträt-Videos zu Malerinnen vom Mittelalter bis zur Moderne aus dem deutschsprachigen Raum produziert und auf der Plattform YouTube veröffentlicht. Projektleiterin Anabel Derlam stellte das Projekt vor, mit dem weniger bekannte Künstlerinnen und deren Werke einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden sollen. Hintergrund für das Projekt ist, dass Malerinnen in Museen, Schulbüchern und Lehrplänen bis heute stark unterrepräsentiert sind. Viele der porträtierten Künstlerinnen waren selbst Kunsthistorikerinnen bisher nicht bekannt. Die Videos beleuchten Biografie, Malstil und Motive, bekannte Werke und das Lebenswerk der Malerinnen.
Die Kurzvideos stehen kostenlos zur Verfügung und können von Museen, Bildungseinrichtungen oder der interessierten Öffentlichkeit genutzt werden. Perspektivisch wird das Projekt um eine Wanderausstellung erweitert.
Ausführliche Einblicke in die Projektergebnisse finden Sie im aufgezeichneten IFiF-Impulse-Vortrag:
Workshops zum Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in Hochschulpolitik und andere Disziplinen
Der zweite Tag des IFiF-Online-Vernetzungstreffens stand ganz im Zeichen des Transfers von wissenschaftlichen Ergebnissen in Hochschulpolitik einerseits und in andere wissenschaftliche Disziplinen andererseits.
Zunächst gab es zwei Impulse zu diesen beiden Themen. Dr. Maren Jochimsen, Geschäftsführerin des Essener Kollegs für Geschlechterforschung, teilte Erfahrungen aus dem Transfer in die Hochschulpolitik, die das Projekt EXENKO gemacht hat. Dieses richtete sich mit einer Handreichung insbesondere an Kommunikationsverantwortliche, Gleichstellungsverantwortliche und Hochschulleitungen. Sie hob besonders die transdisziplinäre Vernetzung hervor, die z. B. durch Projekte möglich ist, um Forschende und nichtforschende Hochschulakteur*innen zu vernetzen und so den Wissensaustausch innerhalb der Hochschule zu stärken.
Prof. Dr. Martina Erlemann, Leiterin des Projekts WomenInQuantumTech, berichtete von ihren Erfahrungen mit dem Transfer in andere Fachdisziplinen. Sie selbst ist Sozialwissenschaftlerin, forscht aber zu einem Thema aus der Physik und hält zum Beispiel häufig Vorträge für die physikalische Fachcommunity. Sie berichtete anschaulich von Herausforderungen, die sich dabei ergeben – z. B. durch unterschiedliche methodische Ansätze, wenig Grundlagenwissen über das Thema Gender oder dem Phänomen der "hyper visibility" von Frauen in männerdominierten Fächern.
Nach den Impulsen starteten alle in eine längere Workshopphase, die von Kolleg*innen von Fraunhofer CeRRi (Center for Responsible Research and Innovation) gestaltet wurden. Die Teilnehmenden tauschten sich darüber aus, welche Ansätze und Strukturen sie an ihrer Hochschule bzw. Organisation bereits nutzen, um den Transfer in die Hochschulpolitik und in andere Disziplinen zu fördern. Gemeinsam wurden auch bestehende Hindernisse und fehlende Ressourcen diskutiert. Der Austausch ermöglichte es, ein vielfältiges Bild unterschiedlicher Vorgehensweisen sichtbar zu machen, Einblicke in erfolgreiche Beispiele zu gewinnen und Anregungen für die eigene Arbeit mitzunehmen.