Westfälische Erfinderinnen sichtbar machen

Mit dem dreijährigen Forschungsprojekt „WE!“ will die Westfälische Hochschule erfindungsreiche Frauen im Ruhrgebiet und Münsterland sichtbar machen und ihre Rolle als Impulsgeberinnen für Innovationen erforschen. WE! verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der Geschlechterforschung, Innovationsforschung und Kommunikationsforschung einschließt. Wir haben mit der Projektleiterin Prof. Dr. Kerstin Ettl und den Projektmitarbeiterinnen Julia Voß und Clara Meyer zu Altenschildesche über ihre Vorgehensweise und erste Projektergebnisse gesprochen.

Liebes Projektteam, Ziel des Projekts WE! ist es, innovative Frauen im Ruhgebiet und im Münsterland sichtbar zu machen.
Wie haben Sie die innovativen Frauen in der Region identifiziert und wie stellen Sie diese vor?

Die Identifizierung unserer Westfälischen Erfinderinnen war ein vielschichtiger Prozess. Wir haben im ersten Schritt unser eigenes Netzwerk – das von Gründungsberatungen und Start-Up Hubs, über Pressekontakte bis hin zu Industrie- und Handelskammern reicht – genutzt. Über diese Kanäle haben wir schon einige Hinweise auf Innovatorinnen in den Regionen Ruhrgebiet und Münsterland erhalten.
Außerdem haben wir viele Stunden recherchiert, dabei Tools und Plattformen wie Crunchbase, Startbase und LinkedIn eingesetzt, und außerdem Pressemeldungen und Internetseiten durchforstet.

Unsere Website www.westfaelische-erfinderinnen.de dient als zentrale Plattform zur Sichtbarmachung und wird durch unsere aktive Präsenz auf Instagram und LinkedIn unterstützt. Hier teilen wir die Geschichten der Erfinderinnen. Ein weiteres Element ist ein eigens kreierter Podcast, „(K)eine von vielen“, der einigen der Erfinderinnen eine Stimme gibt. Zusätzlich haben wir es geschafft, durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie Beiträge im Deutschlandfunk Kultur oder dem ZEIT Magazin für Unternehmer weitere Aufmerksamkeit für unsere Innovatorinnen zu generieren.

Derzeit stecken wir mitten in der Planung einer Kampagne zur stärkeren Sichtbarmachung unserer Role Models in der Region. Wir dürfen noch nicht allzu viel verraten – aber im kommenden Frühjahr werden unsere Westfälischen Erfinderinnen in unserer gesamten Region auf Plakaten, in der Presseberichterstattung und ein paar weiteren Ecken sichtbar werden.

In Ihrem Projekt wird die Bedeutung professioneller Kommunikationsstrategien betont. Welche spezifischen Strategien nutzen Sie, um die Sichtbarkeit innovativer Frauen zu erhöhen?

Wie oben schon beschrieben, nutzt das Projekt eine Vielzahl von Kommunikationskanälen, um die Reichweite zu maximieren. Durch das Erzählen individueller Geschichten der innovativen Frauen wird ein persönlicher Bezug hergestellt, der die Zielgruppen emotional anspricht. Dies erhöht die Identifikation mit den vorgestellten Frauen und macht ihre Errungenschaften greifbarer.

Diese Vorgehensweise ist das Ergebnis unserer Befragung von Medienvertreter*innen, mit denen wir unter anderem über geeignete Strategien und Darstellungsformen gesprochen haben. Ein besonderes Augenmerk liegt bei uns daher auf der visuellen Kommunikation – sowohl im Online- als auch im Offline-Bereich. Auffällige und ansprechende Designs tragen dazu bei, Aufmerksamkeit zu erregen und die Botschaften des Projekts effektiv zu vermitteln.

Auf welche Resonanz sind sie bei den identifizierten innovativen Frauen gestoßen?

Bei der Kontaktaufnahme mit den von uns identifizierten Westfälischen Erfinderinnen erlebten wir eine faszinierende Entwicklung. Anfangs begegneten uns viele Frauen mit einer gewissen Zurückhaltung. Viele zögerten, sich als Innovatorinnen und Expertinnen zu präsentieren und waren von unserer Anfrage überrascht.

Diese anfängliche Unsicherheit spiegelt vielleicht – wenn man in Stereotypen denken möchte – die Tendenz wider, dass Frauen ihre eigenen Errungenschaften oft unterbewerten. Jedoch hat sich die an-fängliche Skepsis schnell in Überzeugung verwandelt. Nachdem wir und die dargestellten Erfinderinnen ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten hatten, zeigten sich viele Frauen sehr begeistert von unserer Initiative. Sie betonen seitdem die Wichtigkeit und den Wert unserer Bemühungen, ihre Leistungen und Beiträge sichtbar zu machen. Dieses positive Feedback bestärkt uns sehr in unseren alltäglichen Bemühungen.

In Ihrem Projekt erforschen Sie auch die Gründe für die (Un-)Sichtbarkeit innovativer Frauen in regionalen Innovationskontexten und verfolgen dabei einen interdisziplinären Ansatz.
Wie ergänzen sich diese verschiedenen Perspektiven bei der Bearbeitung der Forschungsfragen und was haben Sie bisher herausgefunden?

In unserem Projekt Westfälische Erfinderinnen haben wir uns intensiv mit den Gründen für die (Un-)Sichtbarkeit innovativer Frauen in den regionalen Innovationskontexten des Ruhrgebiets und Münsterlands auseinandergesetzt. Zunächst untersuchten wir den übergeordneten Kontext, in dem diese Frauen agieren. Dazu gehörte die Analyse der regionalen Innovationsökosysteme aus einer Makro-Perspektive unter Einbindung von Interviews mit Vertreter*innen von Medien und Innovation. Anschließend fokussierten wir uns auf die individuelle Ebene. Neben einer Netzwerkanalyse führten wir hierzu Interviews mit den Innovatorinnen selbst. Aktuell ergänzen wir unsere Forschung durch eine quantitative Erhebung.

Diese vielschichtige Herangehensweise ermöglicht es uns, sowohl individuelle als auch kontextbezogene Faktoren zu beleuchten. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Innovation oft mit männlich dominierten Bereichen assoziiert wird. Frauen, die vorrangig in sozialen Berufen und im Dienstleistungssektor tätig sind, werden daher seltener als Innovatorinnen wahrgenommen. Zudem offenbaren unsere Gespräche mit Innovations- und Medienvertreter*innen eine mangelnde Sensibilisierung für unbewusste Beeinflussungen durch Stereotype, die häufig in ihrer Berichterstattung und Auswahl reproduziert werden. Die Medien und Institutionen erscheinen als selbstreferenzierende Systeme, die sich immer wieder auf die gleichen Frauen beziehen und somit die Unsichtbarkeit anderer Innovatorinnen weiter fördern.

Die Interviews mit den Innovatorinnen machen deutlich, dass sie unterschiedliche und kontextabhängige Arten von (Un-)Sichtbarkeit erleben und diese in einer aktiven, dynamischen und strategischen Weise handhaben. Allerdings weisen diese Ergebnisse auch auf soziale Strukturen und (in)formelle Institutionen hin, die (Un-)Sichtbarkeit beeinflussen bzw. verstärken. Um das Thema Sichtbarkeit zu verändern, bedarf es folglich Veränderungen in den sozialen Strukturen.

In der zweiten Phase zielt das Projekt darauf ab, übertragbare Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit innovativer Frauen zu entwickeln.
Welche Maßnahmen haben Sie diesbezüglich bereits entwickelt und wie stellen Sie sicher, dass die entwickelten Maßnahmen auch auf andere Regionen übertragbar sind?

Durch verschiedene Maßnahmen stellen wir sicher, dass die Ergebnisse und Erfahrungen des Projekts Westfälische Erfinderinnen nicht nur lokal und regional, sondern auch in anderen Regionen und Kontexten genutzt und angewandt werden können. Unsere Maßnahmen umfassen dabei vielfältige Initiativen, wie beispielsweise den bereits laufenden Podcast oder die schon erwähnte geplante Kampagne im nächsten Frühjahr.

Ein zentraler Bestandteil unserer Strategie zum Ergebnistransfer ist zudem die Entwicklung eines „Werkzeugkoffers“. In diesem werden wir Maßnahmen und Erkenntnisse aus unserer Projektlaufzeit bündeln und aufbereiten. Er enthält Informationen über die von uns genutzten Tools und Methoden sowie Tipps und Tricks für die Evaluation der Maßnahmen. Damit bietet er einen wertvollen Leitfaden für andere Akteure und Regionen, die ähnliche Initiativen umsetzen möchten.

Darüber hinaus arbeiten wir derzeit an einer Fallstudiensammlung, die auf den Geschichten und Erfahrungen unserer Erfinderinnen basiert. Sie wird im Springer-Verlag veröffentlicht und als Ressource für Forschung und Lehre dienen. Die Einbindung dieser Fallstudien in die Hochschullehre gewährleistet, dass das Wissen und die Erkenntnisse unseres Projekts dort zur Sensibilisierung, Inspiration und Weiterbildung beitragen.

Wie stellen Sie sicher, dass die Sichtbarkeit innovativer Frauen über die Projektlaufzeit hinaus aufrecht erhalten bleibt?

Derzeit befinden wir uns im Prozess des Aufbaus eines Netzwerks unter dem Namen WE!nnovate. Dieses Netzwerk zielt darauf ab, Innovatorinnen von heute und morgen zu verbinden. Wir sind zuversichtlich, dass sich dieses Netzwerk dynamisch weiterentwickeln und eine Plattform bieten wird, die langfristig für Sichtbarkeit und Unterstützung sorgt.

Zusätzlich stehen wir in regem Austausch mit Vertreter*innen unterschiedlicher Initiativen, die Interesse bekundet haben, bestimmte Elemente unseres Projekts zu über-nehmen und weiterzuführen. Diese Kooperationen werden die nachhaltige Sichtbarkeit innovativer Frauen in den Regionen Ruhgebiet und Münsterland sicherstellen.